Vergleichs Konstruktion / Construcción Comparativa (alemán)

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I

Wie ein kleines Musikinstrument
eine Mundharmonika
sich in die Hände fügt
und erst die Wärme des Atems
der Atem der sanft hindurchstreicht
ihm Melodien entlockt
so in benachbarten Kammern glänzend
der Symmetrie einer Wabe gleich
gerät die Vorstellung davon
was mein Körper ist
aus den Fugen und fasst sich wieder
wenn er zu lieben meint.
Wie eine Mundharmonika
die unverhofft stöhnt
viel höher tönt
als man zu hören gewohnt ist
und wieder hinabsteigt – sich zuneigt – dem Raunen
der Sehnsucht nach Musik
so in die Kammer der Hände geschmiegt
die Lippen hart am Metall
bringt mich die Luft – und nicht nur die Luft – zum Vibrieren
und das Zittern der Finger
der Druck der Hände
machen aus meinem Fleisch Fleisch
aus meiner Atmung Sanftheit
ein Hauchen in der Stille
das schützende Hülle sein will.

II

Wie eine verlassene Stadt
über der noch ein Hauch
von Hafenstimmung liegt
und Sphärenklänge
im Dunst des schwindenden Wassers kreisen.
Stillgelegt aber intakt
ohne dass die Zeit der Sirenen
die immer noch jede Stunde ertönen
Glasscherben oder Müll hinterlassen hätte:
das Modell
einer Stadt in Bewegung
ja makellos aber vereinsamt
mit der mühsamen Aufgabe
die Kanäle und Quellen zu nähren
das Lichternetz zu erhalten
und die Wege des versiegten Verkehrs
wobei hin und wieder ein Schwall
die Überreste oder vielmehr den Überschwang wegspült
den die Erinnerung ans Ausufern
in den Flussbetten auslöst.
Eine verlassene Stadt ein
Geschöpf verfügbar aber geprägt
vom Geheimnis des Fremden
(von der fehlenden Berührung
zwischen Stein und Hand)
das ganze Universum des Möglichen
in ein paar leeren Gassen wo
außer den Kindern niemand
einen Streifzug wagt.

III

Wie ein Sternbild
das von der Erde aus betrachtet
Glanz und Ruhe bedeutet – Funkeln und Stillstand
aber vibriert und kreist
und seinen Klang
dem inneren Furor anpasst
so: in höchster Klarheit und Autonomie
Körper und Geist
– der Geist des Körpers –
stets in Bewegung
verfügt sie über einen Raum
aus Schatten und Licht
um ihr Wesen
aus Staub
ihr Sternenfleisch
in Schwebe zu halten: Stein
in der Luft
Feuer im Innersten
des Steins
Gleichgewicht um dem Auge
Formen zu bieten
und Mythen der Phantasie.
Wie ein Sternbild
in der Harmonie
seine Vollendung findet so
verläuft ihr Dasein
in Sternen- und Satellitenbahnen
und ihre Schönheit
weder notwendig noch nutzlos
unterscheidet sich nicht von jener
die eine Linse (Tausende Kilometer entfernt)
dem geblendeten Auge bietet:
eine neue
Kombination aus Kristallen
in der das Reale – einmal mehr –
durch Abwesenheit glänzt.

IV

Wie ein Zug in der Nacht
die Landschaften unberührt lässt
und sich dem Tag aus der Dunkelheit nähert
so vom monotonen Rütteln begleitet
macht sich eine Idee auf den Weg und rollt
zwischen mehr oder weniger starren Silhouetten
auf ihr Ziel zu: das Herz deiner Finsternis.
Wie ein langer Zug
dessen Lichter für die Außenwelt
ein sich in der Zeit auflösendes Fanal sind
für die Überfahrt von Hafen zu Hafen
so läuft das Leben auf Schienen
auf ein gewähltes Refugium zu
als Endstation und Erfüllung
und im Zentrum der Reise
steht das was einen erwartet.
Ein fahrender Zug
der jedoch hin und wieder
an wichtigen Punkten anhält
um sein Ziel des Vorankommens zu erfüllen.

V

Wie ein Schiff das seine Substanz untertaucht
um an der Oberfläche zu gleiten
so beweglich bei aller Tiefe
schneidet mein Kielwasser die Luft entzwei
um inmitten des Schaums
dich – den netten Reisenden – zu umarmen.
Wie ein Schiff
überzeugt vom eigenen Kurs
jenem Punkt auf dem Kompass folgt
der weder nah ist noch fern
sondern am anderen Ende gelegen
und deshalb geeignet erscheint
so liegt das Geheimnis der Maschinen
die unter den Fü.en
unentwegt ihre Musik komponieren
im Drang das Ziel zu erreichen.
Nichts als ein Schiff: von seltsamen
Passagieren bevölkert
die an der Struktur nichts ändern
aber ihren Platz behaupten
auf der Fahrt in ein gelobtes Land
ja: ein Schiff
das wie von der Hand eines Kindes
im Teich auf die Reise geschickt
von den großen Wassern dieser Welt träumt:
ein Fisch in seinem Element
könnte nicht glücklicher sein.
So durchpflüge ich die Meere
immer am Bug meiner selbst
in der unermesslichen Nacht
meist ohne zu zerschellen
„mir braucht niemand zu sagen
wie bitter und traurig
die schwarze Einsamkeit ist…“.1
Wie ein Schiff
– dessen Mannschaft solidarisch singt
um den Sturm zu übert.nen –
seinen Kurs verschlüsselt
und vom Wind abliest wohin die Reise geht
so treibe ich auf den Wellen
vom ewigen Wunsch beseelt
zur Sprache der Erde zu gelangen
die mir jedes Mal wieder
einen Anker verspricht und einen Weg.

VI

Wie ein Regen im Herbst
der weder erfrischt
noch das Unwetter verschlimmert
aber auf den gefallenen Blättern
seltsame Geräusche macht
und den Zustand der Dinge
aus dem Gleichgewicht bringt
bebend vor Lust
in der Lauheit des Schmerzes
und brennend beim Berühren
des heißen Steins
oder – ebenso fassungslos –
vor Kälte erstarrend
so fällt er herab
in wechselnden Güssen
je nach dem Grad der Wut
eines geheimen
und mächtigen Windes
bildet Fluchtbäche
nach innen
lässt Spiegel
stillen Wassers zurück
für die Werke der Kindheit.
Wie ein langer
beharrlicher Regen
auf offener Furche
durch Schritte
seine Spur hinterlässt nährend
oder durchdringend
so formte sie
aus ihrer Substanz
das Bild des Regens
und regnete auf die Wesen herab
die sie liebte
mit beharrlicher Zärtlichkeit
flüchtig und ewig
in Wiederholung der Sanftheit
ein Sprühregen
ja: nach dem in der Luft
Kristalle aufblitzen
oder Momente
und alles unter freiem Himmel
seine Wahrheit trocknet
aber es hat geregnet:
Es ist
weder kalt noch heiß
auch wenn ein Schauer
über das Wissen läuft
das die Liebenden
vor dem Vergessen bewahren
wie ein Regen.

VII
Wie eine fleischfressende Blume
die ihre Krone schließt
wenn es Abend wird
schloss
sie sich
über einem Bild
der Dinge
und als sie sich wieder öffnete
schimmerte feucht die Idee
die Vulva einer Rose.
Wie eine fleischfressende Blume
die Hitze des Kampfes
braucht
und erst einlenkt
wenn sie Genugtuung erfährt
beseelt vom Wunsch
nach unendlicher Suche
so
um nach und nach
verstehen zu lernen
was Grausamkeit ist
schließt sie
wie eine Blume
ihre Krone
wenn es Abend wird.